Coating – eine Veredelungstechnologie auch für Nahrungsergänzungsmittel
„Coating“, das ist der englische Begriff für das Beschichten und Umhüllen bzw. Ummanteln eines Kernsubstrates. Im Deutschen steht der Ausdruck „Coating“ sowohl für das angewandte Verfahren als auch das verwendete Beschichtungsmaterial. Das Befilmen von Tabletten bzw. Kapseln ist ein wichtiger Prozessschritt, der seinen eigentlichen Ursprung in der pharmazeutischen Herstellung hat. Seit jeher spielen Befilmungsverfahren eine bedeutende Rolle und die Nachfrage für ummantelte Produkte im Bereich Nahrungsergänzungsmittel steigt stetig an.
Vorteile des Coatings
Die Gründe für ein Coating können mannigfaltig sein. Anwendungstechnische Gründe können im Vordergrund stehen, wie z. B. die Ermöglichung der erleichterten Schluckbarkeit oder die Erzielung eines angenehmeren Mundgefühls durch Geschmacks- und Geruchsmaskierung. Ebenso wird das Filmcoating aus Stabilitätsgründen bei feuchte-, sauerstoff- oder lichtempfindlichen Wirkstoffen angewandt. Damit soll eine chemische Veränderung der Wirkstoffe und deren mögliche Inaktivierung verhindert werden. Eine verzögerte Freisetzung durch eine magensaftresistente Befilmung (auch enterisches Coating genannt) ist genauso möglich. Ein farbiger Filmüberzug hilft dem Verbraucher, verschiedene Produkte oder auch Dosierungen voneinander zu unterscheiden, hat aber auch oft ästhetische Gründe. Es fördert die positive Einstellung des Verbrauchers gegenüber dem Arzneimittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel durch einen hohen Wiedererkennungswert. Dies gilt speziell für farbige und auch aromatisierte Filmüberzüge, die letztendlich auch die Markenbildung (Branding) des Produktes unterstützen. Befilmte Tabletten sind weiterhin gegen mechanische Einwirkungen oftmals widerstandsfähiger als unbefilmte Tabletten[1]. Das Produkt wird vom Endverbraucher als Premium-Artikel wahrgenommen, dessen Qualität gleichbleibend hochwertig ist. Zudem ist durch das zusätzliche Befilmen eine gewisse Barriere gegen Produktfälschungen gegeben[2], da die komplexe Coating-Technologie umfassendes technisches Know-how benötigt. Bei Weichkapseln kann ein sogenanntes magensaftresistentes Coating (Beschreibung im Folgenden), das für einen sensiblen Personenkreis beschriebene Phänomen des „Aufstoßens“ komplett eliminieren. Dies fördert die langfristige Compliance des Endverbrauchers.
Dragieren versus Filmcoating
Die wohl älteste überzogene Arzneiform ist das Dragee. Der Name wird aus dem Französischen abgeleitet – dragée (= kleines Zuckerwerk). Hier diente schon die Umhüllung mit vielen Zuckerschichten dazu, den oft sehr bitteren Geschmack einiger Wirkstoffe zu kaschieren. Die fünf Arbeitsschritte der klassischen Dragierung (Andecken, Auftragen, Färben, Glätten, Polieren) finden beim Coating in verkürzter, abgeänderter Weise in drei Schritten statt (Sprühen, Mischen, Trocknen). Die Zuckerdragierung erfordert oft lange Prozesszeiten von bis zu zwei Tagen, da viele einzelne Schichten Zucker aufgetragen werden müssen, um einen stabilen Gesamt-Überzug zu schaffen. Sie ist also insgesamt sehr zeit- und materialaufwändig und wird deshalb durch das Coaten mit Filmbildnern von polymerer Struktur immer mehr verdrängt[3], [4].
Beim Filmcoating sind die Filmüberzüge, im Gegensatz zur dicken Zuckerschicht, oft sehr dünn, so dass die Gewichtszunahme des Tablettenkerns ohne Bedeutung bleibt (hier ein kleiner Vergleich: Schichtdicke Dragee 0,2 bis 0,5 mm, Filmtablette 10 bis 100 µm)[5]. Es sind die kurzen Prozesszeiten (typischerweise 75 bis 120 Minuten) und die hohe Prozesseffizienz, die das Filmcoating gegenüber dem Dragieren vorteilhafter machen. „Ready-to-use“ Filmcoating Systeme ermöglichen bereits bei der Herstellung der Coating-Lösung eine kürzere Gesamtprozesszeit[6].
Die Geschichte des Coatings und der Filmbildner
Das moderne Coating-Verfahren mit der Verwendung von halb- und vollsynthetischen Polymeren als Filmbildnern bei Arzneimitteln hat in den 1950er Jahren seinen Ursprung, wenn auch historisch das erstmalige Überziehen von Arzneiformen mit Pflanzensamenschleim vor über 1000 Jahren durch den Arzt Rhazes in Bagdad (850-923 n. Chr.) verbürgt ist[7]. Der Einsatz von Polymeren vornehmlich mit alkoholischen Lösungen – wie vor Jahrzehnten noch gängige Praxis– wurde wegen möglicher Risiken, z.B. Explosionsneigung, stark zurückgedrängt. Heute werden Polymere oftmals in wässriger Dispersion, wässriger Suspension oder wässriger Lösung verarbeitet. Beispiele für wasserlösliche Filmbildner, die in der Lebensmittelindustrie und damit auch für Nahrungsergänzungsmittel zugelassen sind, sind u.a. Hydroxypropylcellulose (HPMC), Methylcellulose (MC), Polyvinylalkohol (PVA), aber auch Naturstoffe wie Schellack werden für Nahrungsergänzungsmittel häufig eingesetzt[8]. Einige Polymere haben den Vorteil, dass sie in einem niedrigen pH-Bereich (vgl. Magensäure hat einen pH-Wert von 2-4) stabil bleiben und sich erst in einem neutralem pH-Milieu auflösen (= Magensaftresistenz, Beispiel: Schellack). Zusatzstoffe wie Talkum ermöglichen die Vermeidung von Filmrissen beim Film-Coating. Feuchthaltemittel wie Polyethylenglycol (PEG) werden eingesetzt, um die Elastizität des Filmes zu erhöhen[2].
Farbige Filmcoatings
Das Färben von überzogenen Kernen dient nicht nur ästhetischen Zwecken, sondern macht auch eine leichtere Identifizierung möglich. Synthetische Farbstoffe wie zum Beispiel Azofarbstoffe werden bei Verbrauchern und Herstellern immer unbeliebter bzw. sind zum Teil in Nahrungsergänzungsmitteln gar nicht mehr erlaubt. Die für Lebensmittel zugelassenen, natürlichen Farbstoffe wie beispielsweise Carminrot, Riboflavin (gelb) oder auch Spirulina (grün) können gleichzeitig das Produkt aufwerten[2] und finden durch ihre Natürlichkeit hohe Akzeptanz beim Endverbraucher. Ein gewisser Nachteil der natürlichen Farbstoffe ist jedoch ihre farbliche Varianz und die Empfindlichkeit. Sie können schneller verblassen und ihre Farbe bei Temperaturschwankungen verändern.
Anforderungen an das zu befilmende Ausgangsmaterial
Bevor mit dem eigentlichen Befilmungsprozess gestartet werden kann, werden die Tabletten meist entstaubt bzw. Weichkapseln entölt. Anforderungen an den Tablettenkern sind eine niedrige Porosität, geringe Friabilität, d.h. geringer Abrieb der Tablette unter mechanischer Beanspruchung (möglichst < 0,1 % des Tablettenkerngewichts) und eine Tablettenhärte von größer 80 Newton. Eine einzige zu weiche Tablette, die im Coater zu Pulver zerfällt, kann bereits dazu führen, dass eine gesamte Charge ruiniert wird[3]. Analog dazu müssen Weichkapseln ein robustes und geeignetes Ausgangsmaterial darstellen, d.h. eine ausreichende Druckstabilität der Hülle besitzen. Zudem müssen die Weichkapseln auch eine gute Festigkeit der Kapselnähte aufweisen, da sonst das Auslaufen von öligem Füllgut den Befilmungsprozess sehr negativ beeinflussen kann. Für die Eignung von Weichkapseln zur Befilmung ist weiterhin auch die Quantität des ansonsten gewollten Oberflächenöls zu bewerten und eventuell weiteren Vorbehandlungen zu unterziehen (Entfernung von Oberflächenöl). Deshalb empfiehlt sich eine genaue Inspektion der Weichkapseln, bevor sie zum Coating freigegeben werden. Das Coaten von Hartkapseln ist möglich, jedoch ist ein absolut dichtes Verschließen der Kapsel ohne eine vor dem Befilmen stattfindende Banderolierung praktisch kaum umsetzbar.
Der Befilmungsprozess
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Typen von Coatern: Während sich kleine Partikel (z.B. Minitabletten, Pellets) besser in der Wirbelschicht überziehen lassen[9], sind Trommel-Coater für größere Tablettenkerne und Kapseln besser geeignet. In der langsam rotierenden, perforierten Trommel ist die mechanische Belastung unterschwellig und steuerbar. Parameter, die sowohl den Coating-Prozess als auch die Qualität des Filmüberzugs beeinflussen können, sind zum einen die Sprührate der Sprühdüsen und der Sprühkegel, der Sprühdruck, die Drehzahl der Trommel und deren Beladung, aber auch die Zu- bzw. Abluftregelung und die Temperatur der Luft in der Maschine[10], [11]. Trotz eines hohen Automatisierungsgrades während des Befilmens kann auf einen gut ausgebildeten Facharbeiter nicht verzichtet werden. Ständige Inprozesskontrollen, auch im Wesentlichen durch optische Beurteilung, gewährleisten eine hohe Produktqualität. Die Herstellung ummantelter Partikel mittels der Wirbelschichttechnologie ist ein sehr kostenintensiver Prozess, so dass er in der Lebensmittelindustrie selten zum Einsatz kommt. Ebenso stellen sich ständig ändernde Produktformulierungen eine zusätzliche Herausforderung an die Entwicklung neuer Coatings und Coating-Materialien dar. [12]
Überprüfung der befilmten Tabletten bzw. Kapseln
Die Prüfung der Filmtabletten nach dem Coatingprozess ist abhängig von der Aufgabe des Überzuges. Die Zerfallszeit muss immer überprüft werden. Sei es bei einem Film, der keinen Einfluss auf die Wirkstofffreisetzung haben soll (hier gilt eine Zerfallszeit in 0,1 mol/l Salzsäure von maximal 30 Minuten), oder dass die gewünschte Magensaftresistenz nachgewiesen werden soll (Zerfallszeit beim enterischen Coating: kein Zerfall während 2 Stunden in 0,1 mol/l Salzsäure, Austausch von Salzsäure gegen einen Phosphatpuffer pH 6,8 und anschließende Freisetzung innerhalb 30 Minuten). Die Lagerstabilität des befilmten Produktes kann zum einen durch einen beschleunigten Stress-Test z.B. bei 40°C und 75% relativer Luftfeuchtigkeit oder aber durch einen Langzeittest bei 20°C und 60% relativer Feuchtigkeit erfolgen.
Bereits in der Entwicklungsphase, bei der ein Befilmen im kleinen Maßstab (2 kg bis 3 kg) erfolgt, müssen die wichtigsten Einflussfaktoren bekannt sein. Unbekannt bleibt lediglich, welchen Einfluss die größere Masse von Tablettenkernen bzw. Kapseln auf sich selbst ausübt[3]. Deshalb gilt: Je robuster ein Prozess im Versuchsmaßstab ist, desto leichter lässt sich auch das Scale-up auf eine große Anlage (z.B. 100 kg bis 180 kg) durchführen.
Rechtliche Aspekte
Zulassungsrechtliche Überlegungen dürfen auf keinen Fall außer Acht gelassen werden. So hat jedes Land beispielsweise seine eigene Farbstoffverordnung, die es zu berücksichtigen gilt. Häufig orientieren sich Länder bei ihren Vorschriften zum Einsatz von Farbstoffen an Europa, Japan oder den USA. Jedoch geht es nicht einzig um die Farbstoffe. In Japan gibt es ebenfalls Mengenbegrenzungen für verschiedene Hilfsstoffe (z.B. HPMC, Maisstärke), die in Filmüberzügen verwendet werden[2]. Wenn beispielsweise die gewählten Farbstoffe in den fraglichen Gebieten zulässig sind, können Produkte in einigen Ländern als Arzneimittel und in anderen Ländern als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft werden. Somit unterliegen sie unterschiedlichen Anforderungen. Zulassungsrechtliche Informationen werden häufig geändert, deshalb sollten diese immer wieder auf ihre Aktualität und Gültigkeit überprüft werden.
Fazit
Das Festlegen der geeigneten Prozesse und der Coatingmaterialien erfordert sehr viel praktische Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Nicht umsonst spricht man von der „Kunst des Dragierens“[3], was analog zum komplexen Coating-Prozess gilt. In einem Technikum besteht die Möglichkeit das passende Verfahren und die optimalen Prozessbedingungen zu entwickeln. Durch die Modifizierung bekannter Filmbildner vergrößert sich die Auswahlmöglichkeit stetig. Somit wird es zukünftig eine immer größere Vielfalt an Filmmaterialien geben, auch für Nahrungsergänzungsmittel.
Autorin
Christina Spötzl
ist Managerin Projektentwicklung bei der Goerlich Pharma GmbH. Nach der Berufsausbildung als milchwirtschaftliche Laborantin hat sie an der Fernhochschule Riedlingen den Bachelor-Studiengang „Lebensmittelmanagement und -technologie“ mit dem Schwerpunkt Gesunde Ernährung absolviert. Parallel dazu war sie sechs Jahre in der Pharmaindustrie tätig.
Fachliteratur / Referenzen:
[1] F. Klar: Anwendungsmöglichkeiten und mechanistische Untersuchungen zu Prozessbesonderheiten des Dry Powder Coating: https://cuvillier.de/uploads/preview/public_file/9675/9783736991491_Leseprobe.pdf (Stand: 02.02.2017)
[2] Colorcon Coating School 21. bis 23. September 2015, Colorcon GmbH, Idstein
[3] A. Bauer-Brandl, W.A. Ritschel (†): Die Tablette – Handbuch der Entwicklung, Herstellung und Qualitätssicherung (2012), Editio Cantor Verlag, Aulendorf, S. 645-677
[4] Z. Haseleu: Materialwissenschaftliche Untersuchung des Dragierverhaltens von Zuckeralkoholen (20.05.2003): https://depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/1014/1/Dokument_24.pdf (Stand: 02.02.2017)
[5] U. Schöffling, S. Grabs: Arzneiformenlehre – Ein Lehrbuch der Galenik für Theorie und Praxis (2009), Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, S. 209-238
[6] Excipient Technology & Coatings and MR Technologies (2016), JRS Pharma GmbH & Co. KG, Rosenberg
[7] R. Voigt: Pharmazeutische Technologie (2006), Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, S. 299-315
[8] BIOGRUND Produktportfolio (2015), Biogrund GmbH, Hünstetten
[9] H. Falck: Coating in der Wirbelschicht (16.09.2014): http://www.pharma-food.de/coating-in-der-wirbelschicht/ (Stand: 02.02.2017)
[10] S. Tobiska: Untersuchung und Modellierung von Coatingprozessen am Bohle Laborcoater BLC 5: https://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/02/03H014/t2.pdf (Stand: 02.02.2017)
[11] G. Kutz, N. Hauschildt: Statistische Versuchsplanung zur Festlegung von Prozessparametern bei Filmüberzugsverfahren im Vertical Centrifugal Coater 3-15 (2011): http://www.ecv.de/download/download/Zeitschriften/TechnoPharm/volltext/tp-2011-02-136-kutz-web.pdf, Editio Cantor Verlag, Aulendorf
[12] C. Sorgatz: Phyikalische Charakterisierung von Überzugsmaterialien in der Lebensmittelindustrie – am Beispiel fettbasierter Coatings auf hygroskopischen kristallinen Strukturen (17.11.2011): http://mediatum.ub.tum.de/doc/1085021/document.pdf (Stand: 02.02.2017)